Gebiss oder ohne?

das ist hier die Frage

 

Bild: mit Gebiss - wie unschwer zu erkennen ist 

Geheimnis Pferdemaul. Früher oder später befasst sich jeder Pferdemensch mit diesem Thema. Nur wenige Forscher wissen was im Inneren tatsächlich passiert.
Von außen sieht es niedlich aus, überzogen mit samtigem Fell und weicher Haut. Innen werden täglich bis zu 40 Liter Speichel produziert, der nicht nur Mineralien enthält, sondern auch Eiweiß, welches zu weißem Schaum stockt, wenn das Pferd mit seiner Spucke schlabbert.
Die Zunge, die zwischen einem und zwei Kilo wiegt, besitzt das dichteste Nervengeflecht außerhalb des Gehirns - ein Organ, so weich und empfindlich wie die Lippen eines Menschen.

Bild Westernturnier: Ich finde das Hotti sieht äußerst unentspannt aus. Die Hebelwirkung  drückt enorm auf Genick, Kinn und Zunge

Und was passiert da im Verborgenen sonst noch? Die Antwort ist sehr wichtig, denn schließlich dreht sich die gesamte Reiterei um die Tatsache, dass die meisten Pferde ein Gebiss ins Maul bekommen.
Wie die darauf reagieren, ist den meisten Menschen  unbekannt, auch wenn viele, scheinbar schlüssige Theorien, in allen Reitweisen, das Gegenteil suggerieren.
Einer der wenigen Speläologen in Sachen Pferdemaul ist Professor Robert Cook, von der Tufs University Massachusetts. Der international anerkannte Wissenschaftler forscht seit den 60er Jahren. Ihn interessieren die Wechselwirkungen zwischen Maul und Gebiss - und zwar bereits ehe ein Reiter am Zügel zieht.
Über 3 Jahre untersuchte er 100 Pferde und Reiter aus allen Disziplinen! Dabei rannten die Pferde, unter anderem, mit und ohne Gebiss über Laufbänder während ein Endoskop zeigte, was in ihren Mäulern geschah...

 

 
 

Bild: Ohne Gebiss.  Viel besser, finde ich

auch richtig verschnallt: nicht zu weit unten, breite Auflagefläche-gepolstert, Ganaschenriemen sorgt dafür dass der Backenriemen nicht ans Auge vor rutscht

... Cook sezierte Kehlköpfe, vermaß Maulhöhlen und ging dem Zusammenhang zwischen Gebiss, Kopfhaltung und Luftröhre nach.
Seine Erkenntnisse führten ihn auf einen kompromisslosen Kreuzzug gegen jedes Gebiss. Spott von Kollegen erträgt er standhaft
"Reitern wird immer wieder gesagt, sie sollen den Schlüssel zum Pferdemaul finden", sagt er. "Aber der beste Schlüssel ist gar kein Schlüssel". Sprich: kein Gebiss.

warum?  ...

 

Bild: ohne Worte  :-(   Westernturnier

... Gebiss im Maul bedeutet vermehrte Speichelbildung! 
Wenn ein Pferd "arbeitet", sollte es jedoch ein relativ trockenes Maul haben, denn der ganze Sabber ist für das Pferd ein Ärgernis, wenn es tief und viel Atmen muss. Jeder Versuch den Speichel zu schlucken, birgt für das Pferd eine Gefahr, plötzlich keine Luft mehr zu bekommen:
Reflexe entscheiden ob geatmet oder geschluckt wird. Solange das Maul geschlossen ist, atmet das Pferd. Öffnet es das Maul, strömt Luft in die Höhle. Dieses, verbunden mit Berührungen der Zunge, löst die Reflexkette "fressen und schlucken" aus.
Dabei hebt sich der hintere Teil des Gaumens. Das rund 13 cm lange Gaumensegel schaltet im Rachen, wie eine Weiche, den Weg zur Speiseröhre frei. Gleichzeitig schließt der Kehldeckel die Luftröhre!
 

    

            Olympia-    für mich sind das totale Versagermenschen

"Ein Pferd ohne etwas im Maul und in flotter Bewegung hat ein relativ trockenes Maul. Die Zunge liegt ruhig hinter den Schneidezähnen, der Unterkiefer bewegt sich nicht, der Schluckreflex ist abgeschaltet, das Gaumensegel liegt flach am Boden des Mauls "
Trägt das Pferd dagegen eine Trense oder Kandare, wird das Maul durch die zusätzlichen Fressreflexe feucht. Das Pferd will schlucken, das Gaumensegel hebt sich, das Pferd spielt mit der Zunge, bewegt den Unterkiefer.
"Durch das Gebiss sind die Pferde beim Reiten neurologisch durch den Wind" , so Cook. Weil sie trotzdem versuchen, sowohl dem Reiter, als auch den widersprüchlichen Befehlen ihres Nervensystems zu gehorchen, bekommen sie Probleme.

viel entspannter

       

     es geht auch ohne.

Einfach mal loslassen und vertrauen

Ohhh, ich weiss was manche von euch jetzt denken
"klaaar, mach das mal mit meinem Pferd...dass ich nicht lache"
Als ich Loudy kennen lernte war sie 11 Jahre. Ich lernte als Kind voltigieren, als Teenie ritt ich auf abgestumpften Schulpferden, als Jugendliche düste ich mit Pferden über Stoppelfelder (natürlich ohne Helm und sonstiges Gedöns, so war das damals).
Loudys Besitzerin sagte "sie ist so lieb", war sie auch. Der erste Spaziergang mit ihr glich dann eher einem Wildpferd-Einfang. Ich hatte damals keine Angst, schließlich sind Pferde ja Fluchttiere und Herdentiere...

nach vieelen Spaziergängen war es dann irgendwann besser und nach vielen Wochen dann richtig toll - super entspannt - normal

Als ich das erste mal mit ihr im Gelände war natürlich mit Snaffle Bit (Wassertrense) im Maul und die übliche Galopphilfe gab: Pfffffff düsten wir los wie eine Rakete. Okay, dachte ich, die Hilfe war dann doch etwas zu deutlich  :-)
entspanntes galoppieren ging nicht, sie drückte ihren Rücken weg, kam nicht zur Ruhe. Auf dem Reitplatz ging es gut, aber für mich kam nur Gelände-reiten in Frage. Raus aus dem Büromuff und rein in die Natur

Die Besitzerin sagte ich solle doch mal nur mit Halfter ausreiten, da wäre sie viel ruhiger.

Gesagt-getan, Angst kannte ich ja eh nicht. Und tatsächlich: Loudy war viiieeeel entspannter. Sie galoppierte zwar immer noch unglaublich schnell, aber ich hatte einen "Schlüssel" gefunden.
Ich informierte mich intensiv über gebisslose Zäumung und kaufte ein sanftes Side-Pull. Dann ritt ich ein ganzes Jahr lang nur Schritt und Trab im Gelände. Solange dauerte es, bis Loudy auch im Trab entspannt war, sie ihren Rücken nicht mehr wegdrückte bei den Zügelhilfen und ich schließlich die Zügel locker lassen konnte, ohne dass sie galoppieren anfing. Danach begann ich langsam wieder mit galoppieren, mal schnell - mal langsamer, so wie ich es wollte.
Loudy war zwar immer flott unterwegs, das war einfach ihre Natur, aber sie war nicht mehr auf der Flucht.
Jahre später und nachdem sicher war, dass ihre Zähne auch in Ordnung sind, kaufte ich ihr dann mal wieder ein Gebiss. Das ging dann auch wieder ganz gut, aber ohne war es definitiv viel besser.

Außerdem:

Ein Pferd kann so oder so durchgehen, buckeln... auch mit Gebiss - egal wie "scharf" es auch sein mag.

Ich bin schon öfter von Pferden gefallen, die hatten immer Gebisse drin. Ein Pferd muss Schmerzen-Panik-Angst-Hektik verlieren, nur dann wird es gelassen-locker-entspannt. Wenn du deinem Pferd das nicht vorlebst, dann wird es nix ... sorry, aber so ist es nunmal.

P.S.:  15 Jahre später lernte ich zufällig die damalige Reitbeteiligung von Loudy kennen: Sie war ein absolutes Nervenbündel an Frau. Ich durfte mit ihrem Pferd reiten (Loudy hatte schon fortgeschrittene Arthrose). Bei mir war ihr Pferd ganz normal, doch sie hatte Angst um uns und sagte ich solle doch die Zügel kürzer nehmen. Sie jammerte wie furchtbar hektisch und nervös ihr Pferd doch wäre und dass ich doch lieber mit Hilfszügel reiten solle. Ich verzichtete dann mit ihrem Pferd zu reiten. Mir war dann auch klar, weshalb Loudy früher "auf der Flucht" war.